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Weniger VIP-Seats, dafür mehr Platz für die FC St. Pauli-Fans: Anpfiff für den neuen Ballsaal der Südtribüne des Millerntor-Stadions

© FC St. Pauli
Das Stadion des FC St. Pauli bezeichnen die Fans auch liebevoll als "Wohnzimmer".
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Das Millerntor-Stadion verfügt über insgesamt zwei Business-Bereiche, die sogenannten Ballsäle der Süd- und Haupttribüne. Damit es bei Heimspielen im Ballsaal nicht mehr so überfüllt ist, hat der FC St. Pauli die Business-Tickets von vormals 1.000 auf 650 reduziert.
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Zum neuen nachhaltigen Essens-Angebot gehört neben der veganen auch eine neue Bio-Premiumwurst, von der rund 10.000 Würste pro Spieltag im Millerntor nachgefragt werden.

Wer schon einmal selbst einen Altbau renoviert hat, weiß: Ihn fit für die Zukunft zu machen, dabei den meist rauen Charme zu bewahren und den Termin- und Budgetrahmen zu halten, ist wie als Spieler drei aufeinanderfolgende Tore in einer Halbzeit zu schaffen – quasi ein Hattrick des Umbaus. Ausgewiesener Profi ist hier der FC St. Pauli, der sich solchen baulichen Herausforderungen seit Jahrzehnten stellt. Schließlich steht auch viel auf dem Spiel: Kaum ein anderes Fußballstadion fasziniert Fans als auch Sympathisanten aus aller Welt so sehr, wie das Millerntor im Herzen von St. Pauli. Die Sommerpause nutzte der Verein, um ein ambitioniertes Saison-Zwischenziel zu erreichen: Auf der Südtribüne herrschte bis vor Kurzem reges bauliches Treiben, um den neu gestalteten Ballsaal pünktlich zum Heimspiel-Start am Wochenende einzuweihen. Als eine Art Zeugwart sorgte das auf Bau- und Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE für einen reibungslosen Projektablauf im engen Terminrahmen.

Nicht nur die einmalige Lage macht die Heimstätte des FC St. Pauli, liebevoll als dessen Wohnzimmer bezeichnet, so einzigartig. Inmitten des Kiez eingebettet und in direkter Nachbarschaft zum Heiligengeistfeld und der Reeperbahn ist das Millerntor-Stadion wie kein anderes ein Spiegel seines Stadtteils – und außerdem der klaren Haltung des Vereins sowie seiner Fans: Hier stehen die traditionellen Vereinsfarben braun-weiß, der legendäre Totenkopf sowie Banner und Flaggen für bunte Vielfalt, Toleranz und Offenheit. Wohl nirgendwo sonst ist die Beziehung der Fans zur Spielstätte so intensiv. Bei sämtlichen Veränderungen – baulich wie auch konzeptionell – ist deswegen Fingerspitzengefühl gefragt.

Voll auf Service setzen statt auf vollgestopfte VIP-Bereiche

So verfügt das Millerntor-Stadion über insgesamt zwei Business-Bereiche, die sogenannten Ballsäle der Süd- und Haupttribüne. Dort halten sich die Business-Seats-Gäste vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeitpause auf und erhalten Speisen und Getränke. Beide Bereiche sind mittlerweile in die Jahre gekommen. „Gestartet haben wir in der Sommerpause mit der Sanierung des Ballsaals Süd. Unser Ziel war, den dortigen VIP-Bereich nicht nur optisch aufzuwerten, sondern den Aufenthalt und das Spielerlebnis unserer Gäste insgesamt noch besser zu machen. Dafür haben wir ein neues Hospitality-Konzept erarbeitet“, erklärt Martin Geisthardt, Bereichsleiter Vermarktung beim FC St. Pauli. Dieses Konzept entstand in enger Zusammenarbeit mit der Beratungsagentur CSIGHT. „Damit es bei Heimspielen im Ballsaal nicht mehr so überfüllt ist, haben wir die Business-Tickets von vormals 1.000 auf 650 reduziert. Angesichts gestiegener Kosten haben wir die Preise anheben müssen, wollten das aber nicht tun, ohne das Produkt deutlich zu verbessern.“ Die frei gewordenen Sitzplätze kommen auch dem Public-Bereich in Form von mehr Sitzplatztickets zugute. Unverändert bleiben bislang die 39 Logen, beim FC St. Pauli „Séparées“ genannt.

Mit deutlich weniger Enge und Gedränge lässt sich laut Geisthardt nun ein besserer Service und ein nachhaltigeres Catering auf hohem Niveau realisieren: „Wir können viel stärker auf lokale Produzenten setzen, alles regionaler und saisonaler ausgestalten. Wir bauen auch den Anteil veganer und vegetarischer Speisen deutlich aus. Erstmals wollen wir außerdem gezielt abfragen, welche Speisen besonders gewünscht sind, damit es nach dem Spiel weniger Essensreste gibt.“ Zum neuen nachhaltigen Essens-Angebot gehört neben der veganen auch eine neue Bio-Premiumwurst, von der rund 10.000 Würste pro Spieltag im Millerntor nachgefragt werden.

Design nach St. Pauli-Style: modern, rau, authentisch, aber mit Schiggi Miggi

Neu im VIP-Bereich sind weiterhin eine Bühne und die Fankneipe namens Schiggi Miggi, die auch außerhalb von Spieltagen geöffnet ist. Wer über eine Business-Karte verfügt, kann dort bei den Auswärtsspielen des FC St. Pauli mitfiebern. „Der neue Ballsaal Süd basiert auf dem Gestaltungskonzept der Agentur Nordpol+ und ist durch die Vereinsfarben und die Materialien Holz und Metall geprägt. Die technische Gebäudeausstattung an den Decken wurde bewusst offengelegt“, berichtet Innenarchitekt Jan-Ole Bülow, der bei Drees & Sommer als Senior Planungsleiter das innovative Nordpol-Konzept umsetzte. 

Den modernen und St. Pauli-typischen, leicht rauen Stil unterstreicht auch die neu eingerichtete Bühne für Interviews und Live-Acts. Sie wird von alten Metallabsperrungen, sogenannten Wellenbrechern, gerahmt: original aus dem Stadion, bemalt, beschrieben und mit Stickern beklebt. Ein Highlight ist zudem die zentrale Bar, die nach dem Umbau von drei Seiten bespielbar ist. Sie wird durch zwei weitere Tresen und sieben Catering-Stationen ergänzt. Für die Spieler steht an Spieltagen weiterhin ein abgetrennter Bereich zur Verfügung. Außerhalb von Spieltagen kann dieser repräsentative Raum vor allem als Meetingraum genutzt werden, um die Geschäftsstelle des FC St. Pauli zu entlasten. Alle aktuellen Veränderungen des Vereins zielen insgesamt darauf ab, dass der Ballsaal für Drittkunden attraktiver wird, die außerhalb der Spiele hier externe Veranstaltungen planen. Das soll auch zur Refinanzierung der baulichen Maßnahmen beitragen.

Richtige Aufstellung und Taktik zählen auch beim Umbau

Für den gesamten Umbau stand lediglich das schmale Zeitfenster der Sommerpause zur Verfügung. „Alle Arbeiten vor Ort mussten innerhalb von knapp zwei Monaten erfolgen, für das gesamte Projekt war inklusive Planung, Ausschreibung, Vergabe und Ausführung insgesamt nur sieben Monate Zeit. Der Druck war somit von Anfang an hoch, das Projektmanagement intensiv und alle Gewerke streng durchgetaktet“, sagt Tristan Schmedes von Drees & Sommer, der den Umbau als Gesamtprojektleiter steuerte. Um bei einem solch komplexen Bauvorhaben Verzögerungen, Nacharbeiten, unnötige Wartezeiten sowie Arbeitskraft- und Materialverschwendung zu vermeiden, setzte das Drees & Sommer-Team auf Lean Construction Management. Tristan Schmedes beschreibt das Konzept so: „Dreh- und Angelpunkt ist ein detaillierter Projektablaufplan, der auf den Tag genau durchgeplant ist. Dadurch herrscht zu jedem Zeitpunkt Klarheit, wie viele Mitarbeiter, welche Materialien und welche Maschinen zu welchen Zeitpunkten benötigt werden.“ Das Hamburger Experten-Team von Drees & Sommer verantwortete beim Umbau das General Construction Management und unterstützte den Verein mit der Generalplanung von Architektur und technischer Gebäudeausstattung, kurz TGA, einem neuen Lichtkonzept sowie dem Projekt- und Baumanagement.

Nach dem Umbau ist vor dem Umbau

Im kommenden Jahr soll der Umbau des zweiten Business-Bereichs in der Haupttribüne starten, sofern die Neuerungen auf der Südtribüne Zustimmung bei den Anhängerinnen und Anhängern der Kiezkickers findet. „Das erste Jahr sehen wir als Probelauf, ob unsere Maßnahmen auch auf der Haupttribüne umgesetzt werden können und was gegebenenfalls nachgebessert werden muss“, erklärt Martin Geisthardt mit Blick auf mögliche weitere Schritte. Das Zeitfenster für die Arbeiten würde ähnlich eng bemessen sein– der Ballsaal in der Haupttribüne umfasst jedoch mehr als die doppelte Fläche seines Pendants in der Südtribüne.