Homeoffice boomt in der Corona-Krise, die Wirtschaft ist eingebrochen. Doch wer deshalb einen langfristigen Einbruch auf dem Büroimmobilienmarkt erwartet, liegt falsch: Büros sind weiterhin gefragt – aber sie müssen sich der neuen Realität stellen und attraktiver werden. Das ist vor allem im War for Talents wichtig, den es auch in Post-Corona-Zeiten noch gibt.
Von Harald Czycholl-Hoch, freier Wirtschaftsjournalist
Die Schreibtische und Konferenzräume verwaist, die Fahrstühle leer, die Kantine geschlossen: Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie verwandelten sich belebte Bürogebäude quasi über Nacht in Geisterimmobilien. Die Unternehmen schickten ihre Mitarbeiter angesichts der Kontaktbeschränkungen ins Homeoffice, kommuniziert wurde per Online-Konferenz, Chat und Mail. Nie zuvor arbeiteten so viele Menschen gleichzeitig vom Homeoffice aus – und in den meisten Fällen funktionierte es auch. Konzerne wie Siemens haben daraus bereits Konsequenzen gezogen. Nur noch zwei statt fünf Tage im Büro? Für rund 140.000 Siemens-Mitarbeiter künftig die Regel statt einer Ausnahme.
Gehört es also in der Corona-Krise zur vielbeschworenen neuen Normalität, morgens nicht mehr ins Büro zu fahren, sondern sich stattdessen einfach an seinen heimischen Schreibtisch zu setzen und virtuell mit den Kollegen zusammenzuarbeiten? Und wenn das so ist: braucht man dann die großen, repräsentativen Bürogebäude überhaupt noch? Diese Fragen treiben Immobilienexperten dieser Tage um – und sie sind sich nicht unbedingt einig. Während die einen mit einem dauerhaften Nachfragerückgang auf dem Büroimmobilienmarkt rechnen und damit einhergehend mittel- bis langfristig rückläufige Kaufpreise und geringere Spitzenmieten erwarten, gehen die anderen von einer schnellen Normalisierung nach Überwindung der Corona-Krise aus. Die Wahrheit dürfte irgendwo in der Mitte zwischen diesen Extremen liegen: Sicherlich steigt die Bedeutung von Homeoffice, was dazu führt, dass die Nachfrage nach Büroraum in den nächsten Jahren nicht mehr so exorbitant steigen dürfte wie in den Jahren vor der Krise. Aber dadurch werden Büroimmobilien nicht überflüssig. Doch sie werden sich verändern müssen, um den neuen Anforderungen zu genügen.
Zumindest kurzfristig wird sich die Corona-Pandemie aber auch auf dem Büroimmobilienmarkt bemerkbar machen. „Corona wird die Immobilienwirtschaft und damit die Property Companies die nächsten Jahre beschäftigen“, sagt Klaus Hirt, der am Frankfurter Standort von Drees & Sommer angesiedelt ist. Die Krise sei noch nicht voll auf den Arbeitsmarkt und die Bauprojekte durchgeschlagen. Aktuell laufen die Projekte weiter, neue stehen gegebenenfalls auf dem Prüfstand. Aber es kommen neue Flächen auf den Markt, obwohl die Nachfrage möglicherweise zurückgeht. Dadurch geraten Bestandsimmobilien unter Druck.“ Im Ergebnis könnten die Leerstände steigen und die Mieten sinken. Und wenn die Mieten sinken, würde das einen noch stärkeren Preisverfall zur Folge haben, weil in den Kaufpreisen die Mieterwartungen enthalten sind. Das dürfte aber vor allem die B- und C-Lagen betreffen und bei den Durchschnittsmieten und -preisen weniger zum Tragen kommen.

Viele Arbeitsplätze können nicht vollständig in Heimarbeit verlegt werden
Angesichts der Ausweitung von Home- und Mobile Office sei es plausibel, wenn aktuell keine großen Büroräume dazugekauft oder angemietet würden, heißt es auch beim Analyseunternehmen Realxdata. Aber dass dauerhaft nur noch von zuhause aus gearbeitet wird, ist auch schwer vorstellbar. „Die Zusammenstellung neuer Teams und auch die Einarbeitung neuer Mitarbeiter könnte über die Distanz hinweg eine Herausforderung darstellen“, erwarten etwa die Analysten der Deutschen Bank. So sei insbesondere direkt nach der Corona-Krise ein hoher Kommunikationsbedarf sowohl seitens der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer gegeben.
„Deshalb gehen wir nur vereinzelt von einer Ausweitung von Homeoffice-Regelungen für das Jahr 2020 aus und erwarten keine unmittelbare Wirkung auf die Büronachfrage.“ Zumal viele Arbeitsplätze aufgrund rechtlicher und regulatorischer Vorgaben auch gar nicht vollständig in die Heimarbeit verlegt werden. Zudem belegen viele Umfragen unter Arbeitnehmern eine erhöhte gesundheitliche Belastung im Homeoffice. So vermissen Arbeitnehmer insbesondere eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit – und den regelmäßigen Kontakt zu ihren Kollegen. Auch strukturelle Gründe wie etwa der hohe Anteil des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland, könnten einer kräftigen Ausweitung des Homeoffice im Wege stehen. So haben Länder, in denen das Verarbeitende Gewerbe von geringerer Bedeutung ist, typischerweise eine höhere Homeoffice-Quote. Deutschland hat im EU-Vergleich eine etwas unterdurchschnittliche Quote, die über die letzten 30 Jahre sehr stabil war. Der Anteil derjenigen, die manchmal oder regelmäßig von Zuhause arbeiten, liegt bei rund 12 Prozent (EU-Durchschnitt: rund 14 Prozent). In den meisten Nachbarländern, allen voran der Niederlande mit einer Quote von 36 Prozent, liegt der Anteil hingegen höher.
Aber es ist ja nicht nur das Homeoffice, das die Nachfrage nach Büroraum einschränken könnte, sondern vor allem auch die tiefe Wirtschaftskrise, in welche die Corona-Pandemie Deutschland gestürzt hat. Um satte zwölf Prozent ging es in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres bergab, das Institut für Weltwirtschaft in Kiel schätzt den Wirtschaftseinbruch für das Gesamtjahr 2020 in seiner Sommerprognose auf immer noch 6,8 Prozent. Auf den Arbeitsmarkt hat dieses massive Minus zwar noch nicht durchgeschlagen, aber das könnte Deutschland noch bevorstehen: Kurzarbeit und andere staatliche Hilfen haben hierzulande bislang Massenentlassungen wie etwa in den USA verhindert. Doch für die zweite Jahreshälfte rechnen Experten mit einer Insolvenzwelle und einem Verlust von insgesamt einer Million Arbeitsplätzen. Und wo Firmen gar nicht mehr oder nur noch mit reduzierter Belegschaft existieren, besteht zunächst einmal auch weniger Bedarf an Büroflächen.
Zukünftig werden hochwertigere Flächen benötigt
Doch das könnte zu kurz gedacht sein: Denn diejenigen, die an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, dürften dort aufgrund des Social Distancing mehr Fläche benötigen. Wo es mehr Zellenbüros, eine geringere Arbeitsplatzdichte in Großraumbüros und mehr Reserveflächen gibt, steigt eben auch der Platzbedarf, so dass ein möglicherweise veränderter Flächenbedarf der Unternehmen nicht unbedingt auch einem geringeren Flächenbedarf gleichzusetzen ist. „Es werden zukünftig hochwertigere Flächen benötigt“, bringt es Drees & Sommer-Experte Hirt auf den Punkt. „Nur jene Entwickler und Bestandshalter die sich jetzt richtig aufstellen und die richtigen Produkte auf den Markt bringen, haben eine Chance.“
Denn schließlich konkurriert das Büro zukünftig wiederum verstärkt mit dem Homeoffice – und muss entsprechend attraktiv sein, damit die Arbeitnehmer das Arbeiten dort dem Arbeiten von zu Hause aus vorziehen. „Die Büros der Zukunft müssen neben einem Touchpoint für persönliche Kontakte mehr bieten und sogar cooler sein als das Homeoffice, um als Anziehungspunkt zu fungieren“, betont Hirt. Denn den vielbeschworenen War for Talents gibt es auch in Post-Corona-Zeiten noch – und der wird zunehmend über nichtmonetäre Faktoren wie der Attraktivität des Büroarbeitsplatzes ausgetragen. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müssen sich Unternehmen positiv von ihrer Konkurrenz abheben“, so Hirt. „Wollen Arbeitgeber Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit steigern, müssen sie hier ansetzen und Flächen neu gestalten.“
Hellere Räume, Ruhezonen und eine individuelle Klimatisierung würden in Zukunft immer wichtiger. Und ein frischer Wind, der ein flexibles Kommen und Gehen ermöglicht und Infrastrukturen vorhält, die auf Interaktion und Kommunikation geeicht sind, werden Unternehmen den Erfolg sichern. Dieser Aspekt dürfte umso bedeutsamer werden, wenn sich die Wirtschaft wieder vom Corona-Schock erholt – und das könnte schneller der Fall sein als gedacht: Das Institut für Weltwirtschaft rechnet schon für das kommende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 6,3 Prozent. Damit wären die Corona-Verluste dann weitgehend wettgemacht.
Dossier „Arbeitswelt reloaded“

Die Corona-Pandemie hat viele Entwicklungen beschleunigt, die über kurz oder lang ohnehin auf die Immobilienbranche zugekommen wären – gerade mit Blick auf die Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Sicher ist: Büros wird es weiterhin geben, geben müssen. Was sie dabei auszeichnet, welche Aspekte für den Arbeitsort künftig wichtig sind und für alle, die mit ihm in Verbindung stehen, widmen wir uns in zahlreichen Beiträgen und Interviews in unserem Dossier „Arbeitswelt Reloaded“.