Düsseldorf/Stuttgart, 13. Dezember 2022.Um teure Planungsfehler und Zeitverzögerungen im Bau zu minimieren, setzt die Bundesregierung auf Digitalisierung: Die Planungsmethode Building Information Modeling, kurz BIM, soll für maximale Transparenz und Planungssicherheit sorgen. Für öffentliche Infrastrukturprojekte ist BIM bereits seit zwei Jahren verbindlich, ab Ende des Jahres gilt die Vorschrift auch für Hochbauten des Bundes. Trotz dieser Vorgaben nutzt ein Großteil der Architektur- und Ingenieurbüros, Bauunternehmen und Installationsfirmen die digitale Planungsmethode noch nicht. Warum das so ist, das untersucht der BIM-Monitor 2022 des Düsseldorfer Marktdatenspezialisten BauInfoConsult. Darin wurden über 300 Firmen telefonisch zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen zum Thema BIM befragt. Der Monitor liefert valide Ergebnisse, die André Friedel, BIM-Experte des auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE, mit den unternehmensweiten Erfahrungen aus über 400 BIM-Bauprojekten kommentiert.
„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass BIM einen guten Ruf in der Branche hat, aber oftmals noch nicht ausschöpfend angewendet wird,“ fasst Alexander Faust, Marktanalyst bei BauInfoConsult, die Daten der diesjährigen Erhebung zusammen. Erfahrungen mit BIM hat nur ein Fünftel der 300 Befragten aus den teilnehmenden Planungsunternehmen, Bau- und Handwerksfirmen – also nur 20 Prozent arbeiten aktuell aktiv mit BIM. „Dabei liegen die Vorteile klar auf der Hand. BIM bündelt als eine Methode der vernetzten Zusammenarbeit alle relevanten Daten in einem digitalen Modell, dem digitalen Zwilling des Bauwerks. Da alle wesentlichen Bauakteure in Modellen arbeiten, stehen die dort verarbeiteten Informationen wiederum allen zur Verfügung. Ändert ein Planer beispielsweise den Gebäudegrundriss ab, können die anderen Projektbeteiligten ihre Fachplanung unmittelbar darauf anpassen. Und passen die Entwürfe nicht mehr zusammen, werden diese Kollisionen nicht erst während des Bauprozesses bemerkt, wo sie zu teuren Zeitverzögerungen führen“, erklärt Faust.
Bislang ist BIM bei Infrastrukturprojekten des Bundes verpflichtend und soll ab Ende 2022 auch bei Hochbauten des Bundes bindend eingesetzt werden. Auch besteht in Deutschland seit dem 1. Januar 2021 eine BIM-Pflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. In den skandinavischen Ländern, in den USA, Kanada und auch in den Niederlanden oder Österreich ist das Bauen mit BIM viel weiter. Doch warum sind die Akteure auf dem deutsche Markt noch so zögerlich und was kann helfen, damit BIM noch mehr Fahrt aufnimmt? Die Zahlen des BIM-Monitors 2022/23 zeigen deutlich, dass die bisherigen BIM-Nutzer:innen BIM anwenden, weil es von den Kunden so gewünscht ist (36 Prozent), um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein (30 Prozent) oder auch, um interne Prozesse zu optimieren (30 Prozent).
André Friedel, BIM-Experte bei Drees & Sommer, sieht in den Ergebnissen ein klares Zusammenspiel von Push- und Pullfaktoren: „Die Markterfordernis und die Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben, lösen den Wandel aus. Optimierung der internen Prozesse und der Bauabläufe sind dann die konsequente Folge und fast schon ein Mitnahmeeffekt.“
Kunden müssen BIM gezielt einfordern
„Aktuell scheint die Nachfrage- und Kapazitätskrise in der Bauwirtschaft die BIM-Verbreitung noch zu hemmen“, sagt auch Alexander Faust. Er geht davon aus, dass bei einer erstarkten Marktnachfrage sich die Verbreitung von BIM in der Arbeitspraxis wieder verstärkt ausweiten wird. Das belegen auch die Zahlen: Wenn BIM als Methode vom Auftraggeber gewünscht ist, sagen 32 Prozent der jetzigen BIM-Nicht-Nutzer, dass sie BIM einführen würden – auch um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein (20 Prozent) oder generell auf Druck des Marktes (20 Prozent). Immerhin 21 Prozent erkennen an, dass BIM zu einer Optimierung der Bauabläufe führt.
Als Vorteile von BIM gelten also insbesondere die verbesserte Qualität, Effizienz und Kooperation in Projekten. Als Hemmnisse sehen die Befragten neben dem Investitionsaufwand die Komplexität des Themas, die für erhöhten Schulungsaufwand sorgt. Die größten Hürden für den Einstieg in BIM liegen mittlerweile somit weniger in den technischen Voraussetzungen, sondern vor allem in den dafür notwendigen Veränderungen der Betriebsabläufe und der Mitarbeiteraufgaben.
Schreckt der BIM-Schulungsaufwand ab?
Mit 47 Prozent plant fast die Hälfte der Befragten in nächster Zeit in eine umfassende BIM-Weiterbildung für ihre Mitarbeitenden zu investieren. Auch André Friedel, der als BIM-Experte bei Drees & Sommer in vielen Projekten und bei Organisationen BIM als Methode implementiert, kann das aus eigener Erfahrung nur befürworten: „Der größte Invest betrifft tatsächlich die Ausbildung und Entwicklung der Anwender. Unsere Erfahrung in der strategischen Implementierung digitaler BIM-Prozesse ist, dass neben der intensiven Schulung der Mitarbeitenden vor Projektstart auch eine fachlich-technische Begleitung über mindestens das erste Pilotprojekt hinweg sehr sinnvoll ist. Diese Investition lohnt sich aus unserer Sicht langfristig für Unternehmen und Mitarbeitende“.
Weitere Haupt-Ergebnisse des BIM-Monitors:
- Jeder fünfte Betrieb arbeitet in seinen Projekten mit BIM – im Schnitt mit einem Anteil der BIM-Projekte am eigenen Unternehmensumsatz von durchschnittlich 31,8 Prozent.
- 41,5 Prozent der BIM-Projekte der Bauprozess wird mit einem „digitalen Zwilling“ begleitet.
- 32 Prozent der Bauakteure haben Bedarf an Schulungen von Herstellern zur BIM-Nutzung. Bei den konkreten Nutzer:innen von BIM ist der Schulungsbedarf nochmals höher.
- Im Vergleich zu 2017 und 2019 ist die Bedeutung der Hersteller-Webseiten für die Suche nach
herstellerspezifischen BIM-Objekten erkennbar gestiegen. - Open BIM wird im Schnitt in 59 Prozent der Projekte der BIM-Nutzer standardmäßig erwartet – Hersteller sollten bei der Bereitstellung ihrer Modelle darauf vorbereitet sein
Die Zahlen der diesjährigen Studie belegen, dass BIM mit all seinen Vorteilen bekannt und in der Branche anerkannt ist – doch scheint die unsichere Marktsituation eine flächendeckende Anwendung zu hemmen. Multiplikatoren von BIM sind vor allem Architekt:innen sowie die Hersteller von BIM-fähiger Software. Auf Auftraggeberseite sind vor allem die öffentlichen Bauherren vertraut mit BIM, gefolgt von gewerblichen Bauherren. BIM wartet also in den Startlöchern – und die Baubranche auf günstigere Zukunftsaussichten, um mit BIM loszulaufen.
Über die Studie
Die Monitorstudie „BIM-Monitor 2022/23: Trends und Entwicklung“ zeigt den Stand und das Potenzial der BIM-Marktdurchdringung in Deutschland auf. Für den BIM-Monitor 2022/23 kooperieren das Planungs- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer und das Düsseldorfer Marktforschungsunternehmen BauInfoConsult, um für die Leser:innen zwei Sichten zur Verfügung zu stellen. Anhand ausgewählter Erhebungsergebnisse sortiert André Friedel, Kompetenzverantwortlicher für BIM im Bereich Building Performance Projektmanagement bei Drees & Sommer, die von BauInfoConsult ermittelten Zahlen ein, und ergänzt die Statistik um Marktaspekte.
Dabei werden die Daten der letzten Erhebungen (2017-2019) zum Vergleich herangezogen und die Entwicklung aufgezeigt. Weiter untersucht die Studie, welche Anforderungen insbesondere auch an Hersteller von Baumaterialien und (Software-)Dienstleister in Bezug auf BIM gestellt werden. Außerdem wird untersucht, wie häufig das Potenzial von BIM in der Praxis ausgeschöpft wird, zum Beispiel in Bezug auf
- integrale Planung/digitaler Zwilling,
- 3D-Visualisierungen zur Kollisionsprüfung,
- BIM-Monitoring über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Die komplette Studie ist bei BauInfoConsult käuflich zu erwerben.