Landwirtschaft in der Stadt kennt man ja spätestens seit der Urban-Gardening-Bewegung. Aber auf dem Dach? Das hört sich ein wenig nach einem Rückzugsort für den Ökohipster an!
Im Gegenteil, das Thema verlässt gerade sein Nischendasein. Immer mehr Experten sind sich sicher, dass in diesem Bereich die Zukunft lieg. Der Grund ist, dass damit die Lösung eines weiteren städtischen Problems in greifbare Nähe rückt: die Versorgung der Bewohner mit nachhaltig erzeugten Nahrungsmitteln, also an Ort und Stelle und womöglich auch noch innerhalb eines Nährstoffkreislaufs angebaute Lebensmittel. Als Stichworte fallen hier neben Urban Gardening und Urban Farming derzeit häufig Hydro- und Aquaponik.
Aquaponik – da kommen Fische mit ins Spiel, oder? Das heißt, es gibt bald frischen Fisch vom Dach?
Genau. Aquaponik basiert auf einem symbiotischen Kreislauf, der sich gut auf begrenztem Raum umsetzen lässt: Fische düngen mit ihren Ausscheidungen Gemüsepflanzen, diese filtern über ihr Substrat das Wasser, das wieder in den Fischtank zurückfließt. Als Nahrungsmittel stehen Fisch und Gemüse zur Verfügung. Und es gibt bereits erste Versuche, die beim Betrieb eines Gebäudes ohnehin anfallende Abwärme dazu zu nutzen, solche Kreisläufe anzutreiben.
Es scheint, dass bepflanzte Dächer bei allen Unterschieden in Aufbau und Funktion eines gemeinsam haben: Sie sind Kompensationsflächen in vielerlei Hinsicht. Würden Sie das unterschreiben?
Ganz klar ja. Am deutlichsten wird das in ihrer ökologischen Funktion: Einen Ausgleich schaffen sie dort, wo sich der Stadtraum durch die in Stein, Stahl, Asphalt und Beton gespeicherte Sonnenenergie lokal stark aufheizt. Begrünte Dächer verringern den Hitzeinsel-Effekt, der Städte gegenüber ihrem Umland meist nachteilig auszeichnet. Sie senken die Temperatur in ihrer Umgebung – und wirken durch die isolierenden Eigenschaften der Pflanzschicht und die entstehende Verdunstungskälte überdies ausgleichend auf die Temperaturen in den darunterliegenden Räumen.
Auch bei sogenannten Starkregenereignissen sollen Gründächer ausgleichend wirken. Können Sie das erläutern?
In Deutschland sind rund 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsfläche versiegelt.Vor allem bei sehr starkem Regen kann das schnell zum Problem werden, weil große Wassermengen innerhalb kurzer Zeit in die Kanalisation gelangen, die für solche Volumina aber meist nicht ausgelegt ist. Grüne Dächer können dann zumindest teilweise die Funktion natürlicher Böden übernehmen und das Regenwasser temporär zurückhalten, das sonst schnell Gullydeckel in Flöße verwandelt. Damit entlasten sie die Kanalisation, was sich für den Eigentümer in verminderten Abwassergebühren bemerkbar machen kann. Und für Passanten daran, dass sie trockenen Fußes durch die Stadt kommen.
Womit wir bei den Kosten wären. Mit dem Grün lässt sich also rechnen?
Die Mehrausgaben, die dem Bauherrn durch die aufwendigere Planung und Konstruktion sowie die regelmäßige Wartung entstehen, machen grüne Dächer durch eine Reihe von Vorteilen wett. Dazu zählen neben der genannten Entlastung bei kommunalen Gebühren geringere Aufwendungen für die Klimatisierung und Beheizung des obersten Geschosses. Eine allgemein gesteigerte Identifikation der Mitarbeiter oder der Bewohner mit ihrem „grünen“ Gebäude, nicht zuletzt durch das buchstäbliche Wohlfühlklima, kommt hinzu. Wenn sich dies dann positiv auf die Produktivität und Gesundheit niederschlägt, ist die Wirtschaftlichkeit schnell gesichert. Und im besten Fall entsteht eine optimierte Marktpräsenz durch die Image-Aufwertung der Immobilie.