Nachhaltigkeit Kleidung
Immer mehr Textilhersteller, Modefirmen und Fashion Labels setzten auf Produkte aus recyceltem Plastik. Von Kleidern aus alten PET-Flaschen über Sneaker aus recyceltem Segeltuch bis hin zu Bikinis aus verarbeiteten Fischernetzen – alles ist geboten. Was Verbraucher und Konsumenten dabei oft nicht wissen ist die Tatsache, dass nicht jedes recycelte Produkt zum Klimaschutz beiträgt und Ozeane rettet.
Rund 47 Millionen Tonnen des jährlich weltweit produzierten Plastiks entfällt auf die Textilbranche. Damit steht sie laut Plastikatlas 2019 auf dem dritten Platz nach der Verpackungsindustrie und dem Bausektor, was die Verarbeitung von Kunststoffen angeht. So wundert es nicht, dass in Zeiten der heißen Klimadebatte und des wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstseins auch viele Mode- und Textilhersteller auf umweltschonende und recycelte Produkte setzen. Dabei werben manche damit, dass durch den Kauf eines Kleidungsstücks aus recyceltem Plastik der Kunde zur Säuberung der Meere beiträgt. Andere versichern, dass dadurch Müllmengen reduzieren werden. Plastik aus dem Ozean zu recyceln und zu Kleidung zu machen, löst jedoch das Problem nicht. Denn auch wenn das Plastik noch einmal genutzt wird, landet es früher oder später wieder im Müll beziehungsweise in unseren Ozeanen und Meeren. Es ist also nur ein Zwischenschritt, der den Abfall nicht reduziert. Es ist mehr ein gutes Marketing, als nachhaltige Lösung.
Recycelt mit CO2
Zum einen fehlt in Ländern wie Indonesien und China fehlt die Infrastruktur, um genug sortierten Müll zu sammeln. Manche Hersteller lassen daher sogar recyceltes Plastik aus Europa nach Asien einfliegen, dort zu Garn verarbeiten und dann wieder nach Europa zu transportieren. Zum anderen lassen sich viele Plastikprodukte und Textilien aus Kunstfasern dann wieder nicht recyceln, weil sie zu verschmutzt oder nicht sortenrein sind. Was folgt, sind aufwendige Sortier-, Reinigungs- und Recyclingprozesse, damit daraus eine hochwertige Faser entsteht. Der Trend zu recyceltem Plastik ist so groß, dass Produzenten sogar komplett neues PET nutzen. Entweder wird also zusätzlicher Kunststoff für die Textilbranche produziert oder CO2-teuer extra eingeflogen. Am Ende landet alles als Plastik wieder im Müll und das Problem des Mikroplastiks wird noch größer.
Plastik aus dem Ozean – eine Blackbox
Zwar ist PET ein fester Verpackungsstoff, von dem sich vergleichsweise wenig Mikroplastik ablöst. Wird es aber zu einem losen Faserverbund, zum Beispiel zu Fleece verarbeitet, ist das ein relativ ungebundenes Material. Die Folge: Jeder Waschgang spült bis zu 140.000 Mikrofasern ins Abwasser, aus denen sich das Mikroplastik bildet. Jeder Waschgang, immer und immer wieder. Das landet dann im Meer, in den Fischen, in unserem Magen. Zudem enthalten die aus PET recycelten Textilfasern Antimontrioxid, einen Katalysator, der krebserregend und fortpflanzungsgefährdend ist. Bei der Produktion, dem Recycling und letztendlich bei der Verbrennung der Textilien gelangen diese Stoffe in die Umwelt. Hinzu kommt die Tatsache, dass an dem angeschwemmten Plastik auch noch andere Schadstoffe haften können, von denen noch niemand etwas weiß. Plastik aus dem Ozean ist daher wie eine Blackbox. Will man das wirklich auf seiner Haut tragen?
Die Technik ist längst da
Damit Textilprodukte keine Gesundheits- und Umweltrisiken beinhalten, müssen sie so intelligent gemacht sein, dass all ihre Bestandteile restlos recycelbar sind – und gar nicht erst zu Ozeanplastik werden. Dieses Prinzip wird durch das Cradle to Cradle®-Konzept, kurz C2C umgesetzt. Wenn ein Produkt nach dem Cradle to Cradle-Prinzip hergestellt wurde, heißt das, dass alle Inhaltsstoffe gesund sind und wieder in einen Kreislauf zurückgeführt werden können. Textilhersteller und Modelabels, die ihre Produktion nach diesem Prinzip ausrichten, erhalten somit nicht nur schadstofffreie, sortenrein trennbare und nachhaltige Produkte, sondern verhindern auch die Entstehung vom Müll und die Verschwendung von Rohstoffen. Auch der Umgang mit Wasser und Energie sowie die sozialen Standards werden bei der Zertifizierung eines Produkts nach dem C2C-Konzept von General Assessoren wie der EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer geprüft und optimiert.
Um klar erkennbar zu machen, welche Inhaltsstoffe die Kleidungsstücke enthalten, sollten Produkte zusätzlich analoge oder digitale Schlüssel wie etwa QR-Codes oder Fasermarkierungen enthalten. So können die Materialien zu einem Wiederverwerter zurückfinden. Damit das funktioniert müssen die Modemarken ihre Lieferanten dazu auffordern, ihre Produkte so zu optimieren, dass sie nach Cradle to Cradle kreislauffähig sind – ob Nähgarn, Stoffe oder Farben. Die notwendige Technik ist längst da. Ebenso gibt es inzwischen etablierte Rückhol- und Leihsysteme, etwa Kilenda, Stay Awhile oder MUD-Jeans.
Von Jeans über T-Shirts bis hin zu Nachtwäsche
Einige bekannte Marken haben bereits das C2C-Konzept erfolgreich getestet und die ersten Kleidungskollektionen in die Läden gebracht. So bietet C&A zum Beispiel Cradle to Cradle-zertifizierte T-Shirts und Jeans in rund 20 Variationen an. Der Lebensmitteleinzelhändler Lidl entwickelte gemeinsam mit EPEA-Experten eine kreislauffähige Nachtwäsche-Kollektion, die seit Herbst 2019 in den deutschen Supermärkten verkauft wird. Auch die österreichische Firma Wolford hat unter Anwendung der C2C-Prinzipien biologisch abbaubare Unterwäsche sowie technisch recycelbare Legwear hergestellt. Wer Kleidung sucht, die definitiv keinen Abfall hinterlässt und die Umwelt schützt, wird also mit Sicherheit heute schon fündig. Damit aber kreislauffähige Textilien zum Massenprodukt werden, müssen auch andere Hersteller – und vor allem große Modehäuser – dringend nachziehen.