Urbane Mobilität
Motivierten Radfahrer:innen, denen es regelrecht unbequem gemacht wird: In Köln ist die Verkehrszufriedenheit im deutschlandweiten Vergleich auf dem Tiefpunkt – und das seit vielen Jahren. Dabei hat die Stadt ein hohes Potenzial!
Was ist urbane Mobilität?
Unter urbaner Mobilität versteht man die Gesamtheit der Verkehrs- und Transportmittel und -strecken, mit denen sich die Menschen innerhalb einer Stadt fortbewegen können. Ziel ist es, die urbane Mobilität nachhaltiger zu gestalten.
Fahrradinfrastruktur
Eine Fahrradstraße quer durch die Stadt, klare Verkehrsführungen, ausgebaute Radwege und eine Brücke exklusiv für Zweiräder. Wer aus fahrradfreundlichen Städten wie Konstanz kommt, für den ist eine solche Infrastruktur geliebte Normalität. In weniger auf den Radverkehr ausgerichteten Orten wie Köln, kommt dann der Realitätsschock und der gewohnte Standard entpuppt sich als Luxus.
Viel zu enge Radwege, die plötzlich einfach enden. Hindernisse wie parkende Autos, E-Scooter, Fußgänger:innen oder auch falschfahrende Radfahrer:innen. Sofern es überhaupt Radwege gibt. Teilweise ist auch fahrerisches Können auf mehrspurigen Auto-Straßen gefordert, gerne auch mal mit einer Straßenbahn im Nacken. Da kann einem schnell mal schwindlig werden. Nicht nur vom Einatmen der Abgase, sondern vor allem vor Verwirrung und Anspannung. Der obligatorische Helm auf dem Kopf ist nur ein kleiner Trost, denn regelmäßig kommt es zu unangenehmen Konfrontationen mit dem in Köln – und vielen anderen deutschen Großstädten alles dominierenden Verkehrsmittel: dem Auto.
Fahrradproblematik in deutschen Städten
Die Rad-Erfahrungen spiegeln dabei ein Problem wider, für das in den 1950er-Jahren der Grundstein gelegt wurde: Die Stadt Köln wurde dabei, nach dem Vorbild amerikanischer Großstädte, als reine Auto-Stadt wieder aufgebaut. In der Planung fanden Fahrradfahrer:innen keinerlei Beachtung, ging man ja davon aus, dass bald alle nur noch mit dem Auto fahren würden. Das Ergebnis: Zwar sind die Radfahrer nicht verschwunden, jedoch müssen sie täglich Mut beweisen, wenn sie sich auf den Sattel schwingen.
Die Zahl der (tödlich) verunglückten Fahrradfahrer:innen häuft sich jährlich, wie in der Verkehrsunfallstatistik der Polizei NRW zu erkennen ist. Die Konflikte auf den Kölner Straßen liegen, so Christoph Schmidt – Vorsitzender des ADFC (Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Köln), vor allem an der mangelhaften Infrastruktur, in der nur drei Prozent der Verkehrsfläche den Radfahrer:innen überlassen werde.
Dabei ist der Anteil der aktiven Verkehrsteilnehmer auf zwei Rädern weitaus höher: In einer Vergleichs-Studie des DLR lässt sich erkennen, dass der Anteil des Radverkehrs in Köln mit 18 Prozent leicht über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. Kurz gesagt: Das Radfahren ist unter den Kölner:innen beliebt – 66 Prozent der Befragten fahren gern mit dem Fahrrad. Die Unzufriedenheit bezieht sich vor allem, auf die Verkehrs-Infrastruktur: Köln gehört im „Fahrradklima-Test“ des ADFC zu den Schlusslichtern. Etwas Hoffnung macht eine leichte Verbesserung von Schulnote 4,4 im Jahr 2020 auf eine 4,2 in der jüngsten Studie 2022.
Die Motivation auf Seiten der Bürger:innen ist vorhanden. Es geht also „nur noch“ darum, die Stadt und ihre Infrastruktur dem anzupassen. Im Vergleich: Stuttgart hat hierbei das umgekehrte Problem, denn hier fahren die Bürger:innen so ungern Fahrrad wie in keiner anderen deutschen Großstadt und machen nur sieben Prozent Verkehrsanteil aus. Deshalb muss hier erstmal die Infrastruktur geschaffen werden, um die Bürger:innen für das Radfahren zu motivieren.
Pop-up-Radwege: eine schnelle Lösung für das Problem?
2016 legte die Stadt Köln ein Konzept vor, das vorsieht, den Anteil des Radfahrens und des Öffentlichen Nahverkehrs zu erhöhen und den der Autos zu verringern. Für dessen schleppende Umsetzung wird sie in der Presse und auch von den Kölner:innen selbst kritisiert. Diese machen schon seit den 1970er-Jahren immer wieder auf die Missstände aufmerksam.
Neben regelmäßigen Fahrrad-Demos wurden zum Beispiel erst im Juni 2021 sogenannte Pop-up-Fahrradwege organisiert. Diese sind – nomen est omen – „plötzlich“ in der Stadt aufgetaucht und sollten deutlich machen, wie Fahrradfahren in Köln ohne großen Aufwand funktionieren könnte: Mithilfe von Blumenkübeln und Aufstellern wurde kurzerhand eine Autospur zur Fahrradspur umfunktioniert. Das Experiment bewies für viele, dass es nicht an den Möglichkeiten, sondern am Willen zur Umsetzung hapert.
Urbane Mobilitätskonzepte
„Eine Stadt“, erklärt Markus Schmidt, Mobilitätsexperte bei Drees & Sommer, „ist in der Infrastrukturplanung immer als ein in sich geschlossenes System zu verstehen.“ Wenn an einer Stelle etwas verändert werde, ziehe das Anpassungen an anderen Stellen ebenfalls Anpassungen nach sich.
Ansonsten funktioniere das System nicht mehr. Wenn also die Verkehrsringe, wie bei den Pop-up-Radwegen, einspurig gemacht werden, müsste neben der recht einfach gemachten Straßenlinie beispielsweise auch die Ampelschaltung sowie die Möglichkeit zum Rechtsabbiegen an der Kreuzung neu koordiniert werden. An der Kölner Südstadt-Brücke müsste eine Fahrradrampe die Treppe ersetzen und an mancher Stelle ein Bordstein abgesenkt werden. Kleingliedrige Einzelmaßnahmen, die im Großen und Ganzen jedoch zusammenhängen und so auch immer bedacht werden müssen.
„Für die Umsetzung bedeutet dies“, so Markus Schmidt, „dass jede Maßnahme einzeln geplant, ausgeschrieben, beauftragt, realisiert und abgerechnet werden muss.“ Also doch nicht nur ein paar neue Linien ziehen, sondern auch viel Verwaltungsarbeit, die um die eigentliche Umsetzung herum passiert. Laut Schmidt ist es jedoch die einzige Möglichkeit, das System „Stadt“ zum Besseren zu verändern. Und schlussendlich ist es unumgänglich. Nicht zuletzt, weil auch die Verkehrswende unumgänglich ist.
Mobilitätswende
Drees & Sommer ist bereits in Stuttgart mit der Projektkoordination entsprechender Maßnahmen betraut. Darüber hinaus können die Experten noch tiefer einsteigen und Städte wie Stuttgart und Köln oder Quartiere und Metropolen dabei unterstützen, neue Mobilitätskonzepte von Grund auf zu entwickeln und umzusetzen.
Die Mobilitätswende erfordert eine konsequente und solide Planung. Denn eine Stadt wie Köln radfreundlicher zu gestalten und dadurch mehr Menschen weg vom Auto zu bewegen, schafft Platz, ein besseres Lebensgefühl und trägt zum Klimaschutz bei. Schon lange nicht mehr ein Projekt für die Zukunft, sondern für heute – hier und jetzt.
Der Artikel wurde überarbeitet // Originalbeitrag von November 2021