Wann sich eine energetische Sanierung lohnt
Deutschland will bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Damit das gelingt, kann – ja muss! – die Bau- und Immobilienwirtschaft einen gewaltigen Beitrag leisten –, indem sie weniger neu baut. Bestandssanierungen können ein großer Hebel sein, müssen aber eine nachhaltige Wirkung erzielen und gleichzeitig wirtschaftlich sein. Das Projekt SQUARE mit ökologischen Modellhäusern in Mannheim untersucht mit unseren Expert:innen, was in der energetischen Gebäudesanierung möglich ist.
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache und sie bleiben seit Jahren nahezu unverändert. Die Entwicklung ist teilweise sogar negativ. Weltweit sind Gebäude für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen verantwortlich, europaweit sind etwa 85 Prozent der Gebäude in die Jahre gekommen. Doch nur eine verschwindend geringe Anzahl wird energetisch saniert. Deutschland erreichte Ende 2023 ein Allzeittief von 0,72 Prozent.
Um die aktuellen Klimaziele für 2030 zu erreichen und damit einen energischen Zwischenschritt auf dem Weg zur für 2045 angepeilten Klimaneutralität zu machen, wäre eigentlich eine Sanierungsquote von zwei Prozent nötig. Viele Bestandshalter jedoch fürchten hohe Kosten und einen hohen Aufwand von Sanierungen. Sie wählen lieber die vermeintlich unkompliziertere Option: einen Abriss und einen Ersatzneubau.
Sie sitzen dabei einem Irrtum auf. Wer zukunftsfähige Gebäude haben will, muss nicht zwingend neu bauen.
Versuchslabor für Maßnahmen zum energetischen Sanieren in ehemaligem Quartier der US-Army
Den Bestand nach einer klugen Revitalisierung weiter zu nutzen kann sich lohnen, auch im Hinblick auf die Energiewende. Wie sehr will derzeit ein Projekt der Mannheimer GBG Unternehmensgruppe GmbH namens SQUARE (smart quarter and urban area reducing emissions) herausfinden.
Im einstigen Benjamin Franklin Village, früher von der US-Armee genutzt, stehen zwei baugleiche Gebäude aus den 1950er Jahren mit jeweils 24 Wohnungen, die die GBG mit unterschiedlichen energetischen Standards und Technikkonzepten sanierte – eines (SQUARE now) nach der zum Projektstart aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV 2014 zum Stand vom 1. Januar 2016), das zweite (SQUARE next) nach dem Passivhaus-Standard für die Altbaumodernisierung (EnerPhit).
Fakten und Zahlen zu SQUARE:
- Ist ein Teil von Franklin, einer 510 Hektar großen Konversionsfläche (so groß wie die Mannheimer Innenstadt), auf der einst 10.000 Amerikaner arbeiteten und lebten und auf der nun ein neues vielschichtig-vitales Stadtquartier entsteht.
- Die Gesamtwohnfläche der beiden Gebäude beträgt 4.300 Quadratmeter und verteilt sich auf 48 Wohneinheiten mit drei bis fünf Zimmern.
- Zum Einsatz kommen unter anderem Photovoltaikanlagen mit Akkuspeicher und Mieterstrommodell, Wärmepumpentechnologie mit einem Eisspeicher als Quelle, Fußbodenheizungen, Smart-Home-Systeme und eine kontrollierte Wohnungslüftung über dezentrale RLT-Geräte mit Wärmerückgewinnung, die für eine sehr gute Wärmedämmung sorgt. Das nach EnEV 2014 sanierte Gebäude ist ans Fernwärmenetz angeschlossen und bekam doppelt verglaste Fenster und eine Außendämmung.
Das Energiekonzept von SQUARE strebt danach, die Potenziale von Solarenergie zu nutzen, um unabhängiger zu werden von fossilen Energieträgern und von der öffentlichen Stromversorgung. Leistungsstarke Photovoltaikanlagen, Hybrid-Kollektoren und Batteriespeicher sind wesentliche Bausteine dafür.
Um zu verhindern, dass die Mieter durch die höhere Energieeffizienz dazu verleitet werden, sorgloser mit Strom und Wärme umzugehen, bekamen die Wohnungen im EnerPhit-Gebäude SQUARE next einen eigens für das Projekt entwickelten Energie-Tacho per Touchscreen mit laufenden Rückmeldungen zu den Verbräuchen.
Das übergeordnete Ziel von SQUARE ist, in den beiden Gebäuden ein Maximum an ökologischer Verträglichkeit zu erreichen und integrierte Lösungen zur CO2-Minderung auf Quartiersebene aufzuzeigen. Drees & Sommer betreut ein insgesamt drei Jahre laufendes Monitoring, um Aufwand und Nutzen der beiden Sanierungsmodelle einander gegenüberzustellen.
Square next:
- klassische PV und Hybrid-Kollektoren (sog. PVT-Kollektoren), die neben Strom auch thermische Energie liefern
- ein Lithium-Ionen-Speicher speichert Strom
- ein Eisspeicher speichert thermische Energie und diente als Quelle für eine zentrale Wärmepumpe
- die Regeneration erfolgt über thermische Erträge der PVT-Kollektoren, wobei auch eine direkte Nutzung vor allem im Sommer und in Übergangszeit zu Trinkwasservorerwärmung möglich ist
Square now:
- Standardisierung nach EnEV 201
- neue Fassade mit Zweifach-Wärmeschutzverglasung und Wärmdämmung
- Anschluss an das Fernwärmenetz zur Versorgung mit Warmwasser
- aufgrund der Projektziele über die Anforderung der EnEV 2014 hinaus eine PV-Anlage und Batteriespeicher
Deutlich weniger CO2-Ausstöße durch energetisches Sanieren
Die Daten des Demonstrationsvorhaben fürs energetische Sanieren im Wohnbereich sind belastbar. Im Bundesdurchschnitt kommt Deutschland auf 41 Kilogramm CO2-Ausstoß pro Quadratmeter und Jahr, in den beiden Square-Gebäuden waren es 20 (EnEV 2014) bzw. sechs Kilogramm im EnerPhit-Gebäude, das zudem in seiner Jahresbilanz auf eine zu 50 Prozent autarke Stromversorgung kam.
In puncto Wirtschaftlichkeit schnitt das mit Fernwärme versorgte EnEV-Gebäude besser ab, weil die komplexe Anlagentechnik und Sensorik des EnerPhit-Hauses höhere Investitions- und Betriebskosten verursachten.
Trotz der Kosten und der damit verbundenen Herausforderungen sollten Bestandshalter von Wohnimmobilien Sanierungen nicht scheuen – aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen, wie unser Vorstand Steffen Szeidl betont: „Solche Projekte sollten nicht nur als Forschungsvorhaben, sondern großflächig umgesetzt werden, damit wir die Sanierungsquote deutlich steigern und unsere Ziele in Sachen Klimaschutz rechtzeitig erreichen.“
Und auch für andere Branchen und Gebäudeklassen gilt: Ein Abriss und Neubau ist nicht per se wirtschaftlicher als zu revitalisieren. Die Bestandssanierung als Option hat größere Beachtung verdient.