Städtische Wärmeinsel
Hitzewellen sind vor allem in Städten unerträglich. Gregor Grassl, Associate Partner und Leiter für grüne Stadtentwicklung bei Drees & Sommer, weiß, was gegen Hitzestress in urbanen Ballungsräumen hilft.
Überblick zu städtischen Wärmeinseln:
- Durch den Klimawandel erlebt Deutschland einen Anstieg der Hitzetage: 2022 gab es in Deutschland rund 17 heiße Tage mit über 30 Grad und Tropennächten
- Besonders Innenstädte sind davon betroffen: Der Temperaturunterschied zwischen Städten und dem Umland beträgt bis zu 15 Grad
- Gründe für städtische Wärmeinseln: versiegelte Flächen, fehlende Verschattung und mangelndes Grün
- Maßnahmen zur Klimaanpassung notwendig: Grünfassaden, Flächenentsiegelung, mehr Beschattung und viele weitere Maßnahmen sorgen für Abkühlung in Städten
Dampfender Asphalt, gleißendes Licht über den Dächern und ausgetrocknete Grünflächen – Hitzewellen verändern nicht nur das Stadtbild, sondern führen auch zu vermehrter Belastung der Stadtbewohner. Diese Belastung wird als „Hitzestress“ bezeichnet und beschreibt die Differenz zwischen der empfundenen Temperatur und der optimalen Temperatur für den menschlichen Körper. Das städtische Phänomen der Wärmeinsel verstärkt die Auswirkungen von Hitze: Städte sind wesentlich wärmer als ihre ländlichen Umgebungen, da sie mehr Wärme aufnehmen und speichern. Die Gründe hierfür sind vielfältig: hohe Gebäudedichte, geringer Anteil an Grünflächen, hoher Energieverbrauch und geringe Luftzirkulation.
Die Hitze hat außerdem negative Auswirkungen auf die Gesundheit wie Hitzschlag, Dehydrierung, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Auch die Lebensqualität wird beeinträchtigt, da Komfort, Produktivität und Schlafqualität abnehmen. Die Umwelt leidet ebenso, da der Energieverbrauch für die Kühlung steigt, die Luftqualität sich verschlechtert und der Ausstoß von Treibhausgasen zunimmt.
Um Wärmeinseln einzudämmen und die Auswirkungen von Hitzewellen in städtischen Gebieten zu reduzieren, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Welche weiß Gregor Grassl, Associate Partner bei Drees & Sommer mit Schwerpunkt auf nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung (insbesondere Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte).
5 Maßnahmen gegen städtische Wärmeinseln
1. Für ausreichend Schatten sorgen
Es gibt direkte Maßnahmen, um das Wohlbefinden von Stadtbewohnern zu verbessern, wie zum Beispiel das Schützen von Freiflächen und Wegen durch Bäume oder andere Schattenelemente. Einfache Methoden wie Haltestellendächer oder Bänke im Schatten ermöglichen es Menschen, sich bei hoher Anstrengung auszuruhen. Der Baumbestand in Städten ist wichtig und sollte vermehrt werden. Bäume spenden Schatten und kühlen die Luft durch Verdunstung. Langfristig ist auch die Bauweise von Gebäuden relevant: Wenn sie dicht und schattenspendend gebaut sind, heizen sich hohe Gebäude weniger auf und benötigen somit weniger Energie für die Kühlung.
„In der Regel ist einfach Schatten das Beste, einfachste und kostengünstigste Mittel mit der unmittelbar größten Wirkung“, betont Grassl.
2. Durch Grünfassaden kühlen und Flächen entsiegeln
„Bäume und andere Bepflanzungen spenden Schatten, Kühlung und Feuchtigkeit. Sie können außerdem bei Extremwetterereignissen helfen, indem sie als Schwamm und Retentionsbecken bei Starkregen dienen“, erklärt Gregor Grassl. Zur Begrünung von Städten gehören neben Bäumen auch Grünstreifen, temporäre Regenteiche und begrünte Dächer. Auch vertikale Grünfassaden, wie sie am Drees & Sommer Bürogebäude OWP12 in Stuttgart zu finden sind, können nützlich sein.
Dabei spielt auch die Entsiegelung eine wichtige Rolle. „Plätze und Wege müssen nicht unbedingt asphaltiert sein. Kiesflächen wie in Biergärten oder Rasengittersteine für Parkplätze sind kostengünstiger und reduzieren den Hitzeeffekt“, sagt Grassl. „Leider werden immer noch zahlreiche Flächen wie Verkehrsinseln versiegelt, anstatt dort Blumenwiesen anzulegen, die zur Förderung der Biodiversität beitragen könnten.“
3. Helle Flächen mit hoher Albedo einsetzen
Stadtplaner:innen nutzen vermehrt helle, reflektierende Materialien mit geringer Wärmespeicherkapazität und einem hohen Rückstrahlvermögen (Albedo). Diese können an heißen Tagen eine übermäßige Wärmeeinstrahlung reduzieren. Kurzwellige Strahlung wird reflektiert und das Material erhitzt sich nicht. Diese Maßnahme zeigt besonders positive Ergebnisse in dicht bebauten Gebieten mit großen Dachflächen. Konkret kann dies beispielsweise bedeuten, Asphalt- und Metalloberflächen zu reduzieren. Helle Betonflächen, Pflasterbeläge (aus Beton oder Naturstein) oder schottergebundene Decken eignen sich am besten. Eine Kombination aus rauen Oberflächen, porösen Materialien und helleren Farben beim Belag sorgt auch für eine niedrigere Oberflächentemperatur und eine höhere thermische Speicherkapazität. Sofern erforderlich, lassen sich Oberflächen durch das Auftragen einer hellen Farbe im Nachhinein aufhellen.
4. Nachts mit energiearmen Lösungen kühlen
In Gebäuden setzt man zunehmend auf Low-Tech-Systeme. Hierbei wird viel Speichermasse im Gebäude eingebaut, um es nachts durch die Außenluft zu kühlen. Tagsüber bleiben Fenster und Türen geschlossen. „Wenn es nachts draußen zu warm wird, funktioniert dieses Prinzip nicht mehr. Bei der zukünftigen Entwicklung müssen also auch eigentlich energiesparende und nachhaltige Gebäude aufgrund des Klimawandels saniert werden“, merkt Grassl an.
Als Alternativen für natürliche Kühlung lassen sich Fußbodenheizungen auch im Sommer relativ einfach als Kühlböden nutzen. Eine Möglichkeit besteht darin, den Wasserkreislauf nachts abzukühlen und die Wärme aus den Innenräumen nach außen abzuführen. Es ist auch möglich, Decken als Kühlfläche zu nutzen. Inzwischen gibt es viele Projekte, die Geothermie nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen einsetzen. In Kombination mit Sonnenschutz kann man relativ lang kostengünstig kühlen, ohne die Energieaufwendungen zu erhöhen.
Mit Low-Energy-Netzen kann man sowohl heizen als auch kühlen, so dass ein Quartierskreislauf entsteht. Im Idealfall wird Wasser im Sommer zum Kühlen verwendet und dadurch erwärmt. Das erwärmte Wasser wird daraufhin gespeichert. Im Winter wird das warme Wasser zum Heizen genutzt und erneut abgekühlt. Der Vorteil davon ist, dass die Wärme im Sommer durch die Abkühlung in den Boden zurückgeführt werden kann. Dieses Verfahren kann sich im Sommer sogar positiv auf die Gesamtenergiebilanz auswirken.
5. Höher bauen gegen Überhitzung
Wenn Gebäude aufgrund ihrer Höhe weniger Fläche versiegeln, profitiert nicht nur das Klima, sondern auch der Hochwasserschutz. Denn es entstehen mehr Flächen für die Rückhaltung von Regenwasser.
Laut Gregor Grassl gibt es noch zwei weitere Vorteile aus stadtökologischer Sicht: „Hochhäuser beschatten sich gegenseitig. Schatten ist der beste Schutz gegen Hitze. Das kennt jeder von zuhause durch den Einsatz von Sonnenschutz oder Rollläden. Außerdem ist auch ein geringer Fensteranteil wichtig.“ Der Anteil der Fensterfläche der Immobilien in einer nachhaltigen Stadt sollte nicht mehr als 40 Prozent betragen. Glaspaläste sind kostspielig im Energieverbrauch, sowohl im Sommer als auch im Winter, da Glas eine schlechte Dämmung bietet.
„Ein weiterer Vorteil sind Verwirbelungen und Aufwinde, die insbesondere bei Hochhäusern eine Rolle spielen und vermieden werden sollten. Das trägt zu einer besseren Durchlüftung bei“, fügt er hinzu. Bei Auftreten von Turbulenzen könnte dies zu Zugluftstellen und unangenehmen Situationen führen. Gezielte Anwendung fördert jedoch die Abkühlung und sei mit natürlichen Landschaftselementen wie einem Fluss vergleichbar. Dieser kühlt durch das Wasser und fungiert gleichzeitig als Freiluftschneise und Durchlüftungszone.
Zwei Seiten einer Medaille: Klimaschutz und Klimaanpassung
Klimaschutz und Klimaanpassung sind für Gregor Grassl zwei untrennbare Dimensionen der Klimakrise und sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. „Häufig diskutieren wir darüber, ob wir entweder unsere Dächer begrünen oder sie besser mit Photovoltaikanlagen ausstatten sollten. Ersteres dient der Klimaanpassung, zweiteres dem Klimaschutz.“ Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass sich beides problemlos kombinieren lässt und sich sogar Synergien daraus ergeben können. Photovoltaik-Module auf Gründächern erzielen sogar einen höheren Ertrag, da sie durch die Kühlung des Gründaches effizienter arbeiten.
Die Belastung durch Hitze in städtischen Gebieten ist eine große Herausforderung für die Gegenwart und Zukunft. Aber sie bietet auch eine Gelegenheit, unsere Städte lebenswerter, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu gestalten. Durch gezielte Maßnahmen können wir nicht nur die Hitzebelastung in Städten reduzieren, sondern auch weitere Vorteile erzielen, wie eine verbesserte Luftqualität, höhere Energieeffizienz und größere Biodiversität.