Klima-positiv statt Klima-neutral in der Bauwirtschaft
Für eine kreislauffähige Wirtschaft in Oberösterreich kann vor allem die Bau- und Immobilienbranche einen großen Beitrag leisten, sind sich Expert:innen beim Netzwerktreffen der „Circular Region Community Oberösterreich“, Business Upper Austria und des Planungs- und Projektmanagement-Unternehmens Drees & Sommer in Linz einig. Nicht nur Klimaneutralität sollte künftig das Ziel sein, sondern Klimapositivität.
Rund 50 Prozent der Primärrohstoffe, die auf der Welt verbraucht werden, gehen in die Bauwirtschaft. Die Verankerung von mehr Kreislaufwirtschaft in der Bau- und Immobilienbranche ist somit ein wichtiger Hebel für mehr Klima- und Umweltschutz sowie eine nachhaltigere Wirtschaft. Das Land Oberösterreich möchte bis 2030 führende Modellregion Europas für eine kreislauffähige Wirtschaft sein. So lud die Standortagentur Oberösterreich Business Upper Austria vor kurzem gemeinsam mit dem Planungs- und Projektmanagement-Unternehmen Drees & Sommer Expert:innen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft zu einem regen Austausch nach Linz zur Sparkasse an der Promenade ein.
Klimapositivität statt Klimaneutralität lautet für Christoph Löffler, Kreislaufwirtschaftsexperte von EPEA part of Drees & Sommer in Österreich, das Gebot der Stunde, um den Ressourcenverbrauch in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu reduzieren. „Wir sollten uns in der Planung von Projekten nicht überlegen, wie wir weniger schädlich sein, sondern wie wir einen positiven Beitrag leisten können“, erklärt er beim Netzwerktreffen in Linz.
Gebäudeerrichtung im Fokus
Lag vor einigen Jahren der Fokus noch vor allem auf einem effizienten Gebäudebetrieb, rücken nun immer mehr auch die Errichtung und der Lebenszyklus eines Gebäudes in den Mittelpunkt. Vor allem wenn es darum geht, Ressourcen zu schonen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Einzusetzende Baustoffe und deren Kreislauffähigkeit werden immer stärker hinterfragt und beim Verbauen digital erfasst, um später einmal auf der vorliegenden Datenbasis den Gebäudeabbruch sowie das Recycling der eingesetzten Materialien planen zu können. Plattformen wie Madaster Österreich bieten bereits entsprechende Lösungen an.
Große Unklarheiten gibt es jedoch bei Bestandsgebäuden, weil über diese kaum Informationen zu den verbauten Materialien vorliegen. Für Löffler zählen dabei vor allem die Materialherkunft, der einhergehende CO2-Abdruck, die Demontierbarkeit und Trennbarkeit sowie die Auswirkungen auf die Gesundheit. Erst wenn diese Informationen vorliegen, lässt sich dementsprechend eine dazu passende Recycling-Infrastruktur aufbauen, die die Grundlage für eine kreislauffähige Bauwirtschaft bildet. „Gerade im Bestand haben wir große Aufgaben vor uns, wenn wir an Dekarbonisierung und Kreislauffähigkeit denken“, betont Löffler.
Auch über viele Baustoffe, die in Neubauten verwendet werden, liegen nur wenige, einheitlich strukturierte und transparente Informationen vor. Jedoch ist Löffler davon überzeugt, dass diese unter dem Gesichtspunkt „Global Warming Potentials“ künftig eine wesentliche Rolle spielen werden. „Vor allem hinsichtlich einer im Raum stehenden CO2-Steuer auf Baustoffe werden diese Paramater an Bedeutung gewinnen“, ist sich Löfflers Kollege Matthias Mayr, Standortleiter von Drees & Sommer Linz, sicher.
CO2-Effizienz oder Ressourceneffizienz
Der Anteil von so genannter „grauer Energie“, die benötigt wird, um Baustoffe herzustellen, ist bei Baumaterialien generell hoch. Für einige Baustoffe benötigt es mehr Energie, für andere weniger. Andere lassen sich wiederum gut recyclen. „CO2-Effizienz und Ressourceneffizienz zugleich wird da nicht funktionieren“, erklärt Christof Löffler. Wir werden uns für eines von beiden entscheiden müssen.
Dass es bei Baustoffen zu mehr Transparenz hinsichtlich Herkunft und Inhaltsstoffen kommen wird, davon sind Christoph Löffler und Matthias Mayr von Drees & Sommer überzeugt. „In Zukunft werden wir zu Beginn eines Projekts nicht mehr nur über die Errichtung eines Gebäudes und dessen Betrieb, sondern auch über dessen Abriss nachdenken“, ist sich Matthias Mayr sicher. „ESG ist somit mehr als ein Richtlinienwerk, das es zu beachten gibt. Es ist eine strategische Managementaufgabe, die wir zu bewältigen haben, um dem Ziel einer nachhaltigeren und kreislauffähigen Bau- und Immobilienwirtschaft näher zu kommen.“
Christian Mayr von Business Upper Austria betont: „Die Entwicklung und den Wandel von einer linearen in eine zirkuläre Bauwirtschaft schaffen wir nur durch die Kooperation entlang von Wertschöpfungsketten, welche wir durch unsere Circular Region Community Treffen forcieren.“
Für den Gastgeber des Netzwerktreffens, Udo Dettelbacher von der Allgemeinen Sparkasse Oberösterreich Bank AG, steht fest, dass Kreislaufwirtschaft auch im Bereich der Finanzierungen hinsichtlich der EU-Taxonomie und deren sechs Umweltzielen ein großes Zukunftsthema sein wird. „Diesem werden wir uns als Bank auch für unsere Betriebsimmobilien noch stärker widmen. Insbesondere ist dieses Thema bereits in der Nachhaltigkeitsstrategie der Sparkasse fest verankert.“