Nachhaltigkeit von Hotelimmobilien: Vom Alleinstellungsmerkmal zur neuen Realität
Auch für die Hospitality-Branche führt an ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit kein Weg vorbei. Können entsprechende Sanierungen von bestehenden Hotelimmobilien heute noch Alleinstellungsmerkmale schaffen, werden diese bald für Investoren und Gäste zur Selbstverständlichkeit, zeigte sich Michael Jelencsits von Drees & Sommer Österreich beim 5. Tourismus-Symposium für Banken, das am 21. Juni 2023 am Achensee in Tirol stattfand, überzeugt.
Hohe Betriebskosten, rückläufige Mieteinnahmen, eingeschränkte Funktionalität, ein veraltetes Hotel- und Raumkonzept und das Halten des Immobilienwertes waren lange Zeit Hauptgründe für die Sanierung von Bestandshotels. Für immer mehr Gäste wird es aber auch zu einem buchungsrelevanten Kriterium, ob und wie sehr ein Hotelgebäude und sein Betrieb nachhaltig sind. Mehr noch ermöglichen es glaubwürdige nachhaltige Konzepte, neue Gästeschichten anzusprechen und zu erschließen. Der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur, die Verwendung klimaschonender und effizienter Energietechnik und eine sparsame Ressourcennutzen im Bereich bestehender Hotelimmobilien ermöglicht zudem mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. Mit Klimazielen, EU-Taxonomie und ESG-Vorgaben, die Immobilienbesitzer erfüllen müssen, kommen nun neue Erfordernisse hinzu. „Bisher konnte ein Hotel noch durch nachhaltige Sanierungen aus der Masse hervorstechen und sich entsprechend positionieren. Wer jedoch künftig für Sanierungsmaßnahmen Förderungen oder Fremdfinanzierungen in Anspruch nehmen will, wird Nachhaltigkeitsanforderungen, wie sie sich aus den UN-Klimazielen, dem Green Deal sowie aus der EU-Taxonomie und den ESG-Richtlinien ergeben, entsprechen müssen. Auch für die Bewertung einer Bestandsimmobilie ist es entscheidend, im welchem Maß sie Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Daher ist davon auszugehen, dass mittelfristig nachhaltige Bestandshotelimmobilien das neue Normal sein werden“, erklärt Jelencsits.
Ansetzen an mehreren Hebeln
Auch wenn es „das“ prototypische Hotel nicht gibt und zwischen einfacher Frühstückspension und 5 Sterne-Hotel samt ausladendem Wellness- und Spa-Bereich zu unterscheiden ist: Der Anteil der Energiekosten an den gesamten Betriebskosten einer durchschnittlichen Freizeithotelimmobilie liegt deutlich unter 10%. Dementsprechend zurückhaltend wurden bisher energetische Optimierungen und entsprechende Sanierungen vorgenommen. Durch die geänderten Rahmenbedingungen werde sich das unweigerlich ändern. „Zum einen geht es darum, den Energieverbrauch zu reduzieren, etwa durch thermische Sanierungen und den Einsatz neuer, effizienterer Technologien. Ebenso kann die Freizeithotellerie noch ungenützte Potenziale heben. Hier geht es im Sinne der Resilienz um Nutzungsthemen: wie stark werden Zimmer beheizt oder gekühlt, muss der Spa-Bereich 24/7 benutzbar sein, gibt es Hotelbereiche, die nicht rund um die Uhr beleuchtet sein müssen. Zum anderen sind aber auch technische Maßnahmen notwendig, um die Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umzustellen, etwa durch den Tausch von Heizungsanlagen und den Einsatz von Wärmepumpen, Biomasse und Solarthermie. Auch die Gästemobilität muss mitgedacht werden: Immer mehr Gäste reisen mit dem E-Auto an oder wollen eines vor Ort während ihres Aufenthalts nutzen. Dafür braucht es die passende Ladeinfrastruktur und grünen Strom“, so Jelencsits.
Daten und klares Konzept als Schlüssel zum Erfolg
Um die Optimierungspotenziale einer Hotelimmobilie und des Hotelbetriebs zu erkennen, braucht es im ersten Schritt eine umfassende Bestandsaufnahme und entsprechende Daten. Zuweilen sind diese bei bestehenden Hotelimmobilien kleinerer und mittlerer Größe nur lückenhaft vorhanden. Energieausweis, Energieabrechnungen und eine Objektbegehung durch Expert*innen helfen, diese Lücke zu schließen. „Für weitere Detailinformationen gehen wir zudem mit Bestandshotels einen Fragekatalog durch. Aufbauend auf all diesen Informationen entwickeln wir gemeinsam mit dem Hotelbetreiber ein Umsetzungskonzept. Dabei beleuchten wir außerdem, inwiefern Maßnahmen auch bei laufendem Hotelbetrieb möglich sind“, beschreibt Jelencsits die Vorgehensweise bei Drees & Sommer.
Sanierung ist Neubau vorzuziehen
Auch wenn Sanierungen umfassend geplant und finanziert gehören und den Tagesbetrieb beeinträchtigen können, spricht sich Jelencsits grundsätzlich dafür und gegen einen Neubau aus. Neubauten erfordern umfangreiche Genehmigungen und entsprechende Genehmigungsverfahren, ebenso ist die eingeschränkte Verfügbarkeit von Grundstücken zu bedenken. Zudem wird Bauen immer komplexer, etwa durch technische Anforderungen, Normenvorgaben, den hohen Planungsaufwand und eine komplexe Schnittstellenkoordination. Hinzu kommen Arbeitskräfte- und Ressourcenmangel. Vor allem aber sei eine Sanierung potenziell immer nachhaltiger als ein Abbruch und Neubau. „Gerade wenn es um Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft geht, ist eine entsprechende Sanierung einem Neubau vorzuziehen“, so Jelencsits.